Gebet an das Jahr MMXX

Heilsame Reflektion für einen fruchtbaren Neubeginn

Mittelalterliche Buchmalerei eines Mannes mit einem Ochsen beim Pflügen
Bildausschnitt: Mann mit Ochse beim Pflügen (Wikimedia Commons, Rochester Bestiary, Folio 37v, 13. Jh., British Library, Royal MS 12 F XIII, gemeinfrei)

Am Ende eines vergangenen und am Anfang eines neuen Jahres ist es eine schöne Tradition, sich einander Glückwünsche zu senden, das hinter einem Liegende loszulassen und die Kräfte zu sammeln für das Bevorstehende. Warum denn nicht in einem Gebet all dies zusammenfassen?

Du schreckst davor zurück, weil Du keiner Kirche angehörst? Das soll kein Hindernis sein! Schließlich ist diese Textform an nichts Institutionelles gebunden. Ein Gebet ist erstmal nur ein Gebet. Kein kirchliches Bekenntnis, keine Zugehörigkeits-Offenbarung – nur eine Kontemplation. Nachdenkend, bittend, verdeutlichend, fragend.

Die zween Zwanzig künden gar,
von frischem Glanz in neuem Jahr.
Der alten Mächte garstig Macht,
gebrochen durch Silvestras Nacht,
im Donner und Geleucht verbrannt,
allüberall in Stadt und Land.

Daimonis’ Tönen grad verklingt,
der Mond zum Horizonte sinkt,
wie wenn Frau Mutter Sonne steigt,
und Mensch und Tier die Liebe zeigt,
mit winterlicher Wärme prahlt,
und Schatten reich mit Licht bezahlt,
sie leuchtet aus, den Lebenspfad,
und spornet an zu neuer Tat.

Nun lasst uns denn den Pflug ergreifen,
und uns die Kutte überstreifen,
den Griffel in die Tinte tauchen,
und Säge, Hobel, Axt gebrauchen,
um unser Tagwerk zu beginnen,
und ein erquicklich Freud’ zu spinnen.
Das Leben mit Erfolg zu nähren,
der Ahnen Müh’ mit Dank zu mehren,
des Himmels Ehr’ mit Lob zu preisen,
und zagend Angst hinfortzuweisen.

Verneigend vor der Schöpfung Größe,
betreten wir mit nackter Blöße,
die Erdenbühne jeden Tag,
und stellen uns der täglich Plag.
Im Angesicht von Müh’ und Schweiß,
ergreifen wir mit Lust und Fleiß,
die Möglichkeiten zum Gedeihen,
indem wir unser Handeln weihen,
mit heilig Saat und dienlich Samen,
in uns’rer aller selig Namen.

Die Frucht, den Lohn für unser Walten,
den Mut, das Leben zu gestalten,
wir ernten ihn mit Hochgenuss.
Und wissen doch am Schluss,
dass nichts unter dem Himmelzelt,
als wahr, als echt, als wirklich gelt.
All eitel Ding ist flüchtig Schein,
nur Blendwerk, Trugschluss ist das Sein.

Indes, wir geben uns hinnieden,
hinein in diese Welt mit Frieden.
Wir füllen sie mit Lieb’ und Leid,
für jetzedar und alle Zeit.

Amen.