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Mellow

Das Treiben auf dem Tibidabo (Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)

Lesezeit: 5 min

Heute habe ich zeitlich am meisten in dieser Reihenfolge Dinge getan:

  1. geschlafen (nachts)
  2. gelesen („Konklave“ von Robert Harris)
  3. Foto-Panoramen gestrickt und optimiert
  4. gegessen
  5. Treppen gestiegen

Zum ersten Punkt gibt’s leider keine Texte, Fotos, Audios oder Videos, zum zweiten Punkt kann ich nur sagen: Sehr spannend! Bezüglich des dritten Punktes folgen meine zwei Ergebnisse:

Ein wunderbares Panorama (Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)
Templo Sagrado Corazón de Jesus (Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)

Und zum vierten Punkt eine weitere Aufzählung:

  • Baguette (pan integral)
  • Ziegenkäse
  • Thunfüsch
  • Joghurt mit Müsli
  • Banane
  • Apfel
  • Möhre
  • Tomate

Wo kommen die Fotos her?

Dazu gleich. Erstmal eine andere Anekdote: Nach dem von mir upgegradeten Frühstück setzte ich mich auf eine Bank im Garten vor dem Speisesaal und schlug mein Buch auf. Da ging es gerade um Demut, Annahme und Mühsal, als mich ein Typ ansprach, der offenbar eben vom Pool kam. Kaffeetasse in der einen Hand, und einen beeindruckenden Dübel (für technisch Interessierte: Gem. DIN 13-1 mindestens M12, Länge 10 cm). Das Teil war noch nicht angezündet, die Augen des Probanden noch nicht glasig, seine anschließende Zutextung (auch: Laberflash) ließ jedoch darauf schließen, dass er dem Genussmittel seit Längerem und regelmäßig zugeneigt ist. Ein weiteres, unterstützendes Indiz dafür war sein deutlich niederländischer Akzent im Englischen 😂. Er dozierte nun also davon, dass alles, was Ego, ’I‘, ist, böse ist, und dass Gott uns, ’us‘, einander gab, um Frieden und Freiheit zu finden. Er führte – das Thema verfolgt mich 🙄🤐 – sein Herkunftsland an, die Niederlande. Es wäre absurd von anderen anzunehmen, dass der Niederländer blond und blauäugig sei. Er wäre als dunkelhäutigerer Mensch wohl eher dem Süden Europas zuzuordnen und würde dieses Stereotyp schon zunichte machen. Auch gehe es ihm gehörig auf die Senkel, dass Familien ihre Kinder so erziehen würden, dass sie in ihrem Land großwerden würden.

Interessiert fragte ich, welche Alternative es dazu gebe, worauf er prompt antwortete, dass das in der Erziehung gar keine Rolle spielen dürfte. Ich wandte ein, dass der Mensch aber immer eine Orientierung durch Identifikation suche. Das jedoch verneinte er vehement und berief sich auf seinen christlichen Glauben (!!) und führte aus, dass Gott es nicht gewollt haben könnte, dass die Menschen sich in Dualitäten verstrickten. Sie sollten von ihrem stetigen, nervigen und Zwietracht säenden Verweis auf sich als Individuum ablassen und gefälligst aufgehen im Kollektiv.

Mein anschließendes, nachdenkliches Wiegen mit dem Kopf war wohl der Skepsis zuviel, worauf er sich abwandte und das Gespräch in sicherer Entfernung mit sich selber weiterführte.

Ich tauchte derweil wieder in römisch-katholische Sachverhalte ein.

Selbige schlugen am frühen Nachmittag zu der Realität eine erneute Brücke: Ich fuhr von meinem Hostel einmal um den Berg herum auf die Barcelona zugewandte Seite und lief mangels freier Parkplätze die letzten zweieinhalb Kilometer hinauf zu einem der zwei ’Hausberge‘ der Stadt, dem Tibidabo.

Dieses Ding ist einer herrliche Manifestation einer Episode in der Bibel.

Im vierten Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird beschrieben, wie Jesus sich 40 Tage in die Wüste zurückzieht, um seine Überzeugungsfestigkeit gegenüber den höheren Wahrheiten zu überprüfen. Im gemütlichen Kämmerlein läßt es sich immer sehr fein hinsichtlich Achtsamkeit, Gleichmut und Loslassen schwafeln. Jesus aber wollte ’Butter bei die Fische‘.

Die Versuchung ließ auch nicht lange auf sich warten. In Form des Teufels taucht der Zweifel auf über Sinn und Unsinn dieser Abstinenz, dem strategischen Ziel der bedingungslosen Hingabe an Gott und überhaupt jeder spirituellen Ausrichtung.

Auf einem Wandmosaik aus dem 13. Jahrhundert im Markusdom in Venedig sieht das so aus:

Die Versuchung Jesu, Wandmosaik in der Basilika des Heiligen Marcus, Venedig (Foto: Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Mehrere Male lockt der Versucher, sein letzter Vorstoß klingt in Mt 4:8–9 so:

„Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest.“

Im Lateinischen liest sich das so:

„Iterum assumpsit eum diabolus in montem excelsum valde : et ostendit ei omnia regna mundi, et gloriam eorum, et dixit ei : Hæc omnia tibi dabo, si cadens adoraveris me.“

Das Coole am diesem Ort ist nun, dass da auf dem Gipfel eine beachtlich große Kirche (s. Foto oben) steht, mit der geschäftigen, sehr weltlichen Millionenstadt inklusive all ihrer beeindruckenden Gebäude und dem unablässigen Strom von Kraftfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen zu ihren Füßen. Allerdings in einiger Entfernung und dadurch so klein, dass der geneigte Betrachter sich gleichsam entrückt davon wähnt (s. Panorama). Wie auf einer Eisenbahnplatte hat das manifeste Gewusel da unten etwas Goldiges, fast könnte man es für hinfällig und unwirklich halten. Und als wenn all die darin schlummernden Versuchungen und Ablenkungen holzschnittartig nochmal betont werden müssten, liegt direkt am Fuße des Gotteshauses ein an Attraktionen und Fahrgeschäften reicher Jahrmarkt.

Gerne hätte ich an dieser Stelle den Bibeltextausschnitt mit einem schönen Stück klassischer Musik untermalt, allein, mir ist kein Komponist bekannt, der die Versuchung Christi vertont hätte. Hat sich wohl bisher niemand rangetraut. Da ist also noch Raum?