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Mau Mau

Der Blick hinauf in das Tal von Vallvidrera (Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)

Lesezeit: 8 min

Wenn einer eine Reise tut… – kann dies unterschiedliche Gründe haben, sagenhaft viele Verläufe nehmen und unabsehbare Konsequenzen zeitigen.

Diese Reise lag in einer sehr spontanen, heftigen Resonanz begründet, war geprägt von durchaus verschiedenartigen Eindrücken und über deren Ergebnisse wird noch zu kontemplieren und zu reden sein – ganz zu schweigen von den tieferen, verborgeneren Folgen, die sich erst nach und nach enthüllen und einer achtsamen Identifikation, Beobachtung und Integration bedürfen.

Der letzte Tag im Süden war bestimmt von einer gemächlichen Loslösung vom Ort des Geschehens:

(Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)
(Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)
(Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)
(Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)
(Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)

Morgentoilette, Frühstück und Packen reihten sich harmonisch aneinander und mein Entschluss, am letzten Tag trotz zur Verfügung stehender Zeit keine weiteren Erkundungen mehr vorzunehmen, erwies sich als klug hinsichtlich des inneren Chill-Faktors.

Wenn man, so wie ich, mit nur dem allernötigsten Gepäck reist, ist das geordnete Beieinanderhalten der eigenen Siebensachen kein großes Kunststück. Jedes Ding hat seinen angestammten Platz irgendwo im Rucksack und eine Leerstelle weist unaufdringlich darauf hin, dass die Komplettierung des mobilen Eigentums noch nicht abgeschlossen ist.

Nach herzlichem Abschied von den diensthabenden Rezeptionsmitarbeitern, Abgabe der kontaktlosen Schlüsselkarte und Überlassung zweier Dosen Thunfisch in Olivenöl und einer noch halbvollen Familienpackung Duschgel zur weiteren, freien Verwendung erfragte ich mir zur Vertiefung und Erweiterung meiner Italienisch-Lektionen gegen eine kleine Spende das in den letzten Tagen interessiert durchstöberte Kinderlexikon aus der hauseigenen Mini-Bibliothek:

Die italienische Kinder-Enzyklopädie (Cover: Rusconi Libri, Santarcangelo di Romagna, alle Rechte vorbehalten)

Welch eine grandiose Ergänzung meiner bevorzugten Sprachlern-App und meines häufig genutzten Vokabeltrainers!

Noch schnell ein paar Fotos von der Anlage gemacht – es steht ja das Vorhaben im Raum, im nächsten Jahr ggf. ein Meditationsretreat durchzuführen und dann mit dem Kleinwagen ab Richtung Girona auf wiederum nicht mautpflichtigen Straßen.

Meine Erkundungskutsche (Foto: Sarah A. Besic, Cc BY-SA 4.0)

Die ersten 30 km der Strecke sind dabei ein ordentliches Hin und Her von folgender Art:

Da stellt sich selbst die Nutzung eines ausgewachsenen Navigationstools als ambitioniert heraus (Screenshot aus Google-Maps, alle Rechte vorbehalten)

Anschließend setzt sich die Fahrt entspannt auf einer Landstraße fort. Inklusive einer Mittagspause mit Pan integral und Babybell-Käse, sowie Möhre und Tomate auf einem Truckerparkplatz benötige ich etwas über zwei Stunden für die knapp 100 Kilometer. Ich tanke das Auto wieder voll, gebe es reibungslos ab und schlendere in die Abflughalle.

Nicht besonders viel los, die Hauptsaison ist merklich vorüber (Foto: Sarah A. Besic, CC BY-SA 4.0)

Beim wahllosen Stöbern im Internet während des Wartens auf den Abflug bin ich auf eine Vorab-Veröffentlichung eines Buches (das aber bei Amazon zumindest noch nicht gelistet ist) gestoßen mit dem Titel „Wie der Teufel die Welt regiert“. Ich traute meinen Augen nicht und war belustigt und verwundert, dass in unserer Zeit ein ’Werk‘ dieser Machart zur Veröffentlichung kommt. Nicht, dass ich solch eine Publikation verbieten würde, aber scheinbar gibt es ja potentielle Konsumenten, die bereit und Willens sind, für soetwas Geld auszugeben. Und die Kommentare unter diesem Artikel waren dann doch leicht schockierend.

Worum ging es? Simpel erklärt handelt es sich bei dieser Schrift um eine thematisch sehr weit gefächerte ’Bestandsaufnahme‘ und ein ’Lösungsangebot‘ hinsichtlich der identifizierten Problemfelder in unserer heutigen Welt.

So weit, so gut.

Die Perspektive, durch die auf unsere Realität geschaut wird und vor allem die Handlungsoptionen, die vorgeschlagen werden ist dabei bestimmt von einer sehr, also sehr engen, vorneuzeitlichen Welt-Interpretation, die sich auf im Kern auf das Christentum beruft, dabei aber wesentlich die traditionell-autoritäre Position der einer deutlich prämodernen Amtskirche samt ihrer willkürlichen Doktrin meint. Dabei findet ein durchaus geschicktes Verweben tatsächlich kritisierenswerter Umstände mit einer geradezu mittelalterlichen Ursachenbenennung und Schuldigensuche statt, die in der Infragestellung der Wissenschaft an sich gipfelt.

So weit, so fraglich.

Auf dem Flug dann schaue ich einen anderthalbstündigen Spielfilm, „Die Zeitreise – Ein Blick in die Zukunft ändert alles“, von dem ich einen eher Abenteuer betonenden Charakter annahm, der nun genau die gleich Thematik beinhaltete. Ein Professor an einem Bibelseminar im ausgehenden 19. Jahrhundert verfasst eine Schrift, die einem seiner Kollegen missfällt. Sein Kritikpunkt ist die Loslösung einer allgemeinen Moralvermittlung vom ’legitimierenden Fundament‘ derselben, der axiomatischen, nicht zu hinterfragenden Allmacht Gottes (natürlich nur eines christlichen Gottes!).

Ja, Herrschaftszeiten! Versucht mich hier irgendwer zu agitieren?! Einmal abgesehen von den kruden, für mich zum großen Teil völlig überkommen Standpunkten, frage ich mich vor allem, was dieses massierte Auftreten dieses Weltbildes mir genau jetzt sagen soll. Zerrt da wer an meiner karmischen Verbindung zur christlichen Kirche? Jener unheilvollen, aber zu den jeweiligen Zeiten wohl probaten Hingabe an die eine verkündete Wahrheit? Dem fahrlässigen Verschenken des eigenen Gewissens an eine machthungrige Institution im Glauben an das vorübergehende oder gar ewige Seelenheil? Der ehemals willfährigen Bereitschaft, allzu menschliche Abscheulichkeiten wie Kreuzzüge und die unheilige Inquisition schweigend zu erdulden, billigend in Kauf zu nehmen oder daran aktiv teilzuhaben? Okay, ist angekommen, die Erinnerung! Check.

  • Genau hinschauen!
  • Sorgfältig und möglichst umfassend einordnen!
  • Eigene Schlüsse ziehen, Konsequenzen abwägen und deren Folgen bedenken!

Was für ein strenger, schwerlastiger Abschluss…!

Aber das ist Gott sei Dank (!) nur ein Aspekt der Geschichte. Der andere ist grenzenlose Dankbarkeit für das Erfahrene, innere Leichtigkeit aus der wirkmächtigen Relativierung der aufgenommenen Eindrücke, Auffrischung der Freiheit von und zu Vielem durch Wahrnehmung neuer Horizonte und nicht zuletzt die Vertiefung des ’Schmeckens‘ von Allem.

Dazu einer meiner persönlichen, musikalischen Klassiker von Pilgersounds: Groovecatcher, ’Café de la Plage‘ vom Album ’After the Rain‘:

Café De La Plage von Groovecatcher (YouTube)

Bis zum nächsten Mal!