Urheberrecht, Kultur und Kommerz

Von der Verwertung und Verfügbarkeit von kulturellen Gütern

Ein Mönch im Skriptorium
Im Skriptorium – Ein Mönch kopiert einen Text aus einem großen Buch auf seinem Schreib-Tisch. (Wikimedia, gemeinfrei von: Blades, William: Pentateuch of Printing with a Chapter on Judges, 1891)

Zwei beachtliche Artikel, der eine ein Interviewauszug aus dem Buchreport-Magazin (Lucy Kivelip, Interview und Daniel Hofer, Foto) mit dem Journalisten Dirk von Gehlen, freier Blogger und für die Süddeutsche tätig:
http://bit.ly/NDe11X
der andere, ein Interview der Süddeutschen (Bernd Graff, Interview) mit Till Kreutzer, dem promovierten berliner Fachjuristen:
http://bit.ly/KHeZWy
könnten für unsere unsachverständige, verwirrte und verführte Politik zumindest eine gute Blaupause sein, um über die aktive und zukunftsfähige Gestaltung unserer Gesellschaft im Schlagschatten einer stetig fortschreitenden, überwiegend technisch determinierten Entwicklung sich politische und eben nicht nur taktische Gedanken zu machen.

Der Erstere hebt die dem kulturellen Schaffensprozess immanente Nachahmung als

  • wesentliches Merkmal,
  • notwendige Voraussetzung und e
  • igenschöpferischen Ansporn

hervor und verweist auf die Vergeblichkeit des Versuches, diesen Geist wieder in die Flasche zurückzubefördern zu wollen. Seine Lösungsansätze beziehen ausdrücklich, entgegen den proklamierten Wünschen der Verwerteindustrie, den Nutzer als ernstzunehmenden Markt- und Kulturteilnehmer mit ein. Pauschale Abgabesysteme, in den faktischen Kontext gestellt, der wesentlich auf dem bisherigen Verfehlen seitens der Bereitsteller beruht, könnten seiner Meinung nach ein gangbarer Ausgangspunkt für die Lösung des grundsätzlichen, derzeitigen Interessenkonfliktes sein.

Kreutzer hingegen packt die Thematik auf einer viel globaleren Ebene beim Schopfe, und trifft damit meiner Meinung nach genau ins Schwarze. Nicht die partikularen Interessen von Branchenverbänden, nicht die Wahlmehrheiten sichernden, in den Wind gehängten Fähnchen der Politiker, sondern vielmehr die basale Frage nach dem Wie des zukünftigen Zusammenlebenwollens verbergen sich hinter den unterschiedlichen Themengebieten der gesamten Diskussion. Die von ihm identifizierten Problemfelder seien:

  • der Generationenkonflikt,
  • der Kulturwandel,
  • die Veränderung der kulturellen Perzeption,
  • und die Verwertung von ebensolchen kulturellen Leistungen.

Dabei bestreitet er die von vielen Gegnern einer zeitgemäßen Anpassung unterstellte Forderung nach einer Legitimisierung von Rechtsbrüchen, vielmehr beleuchtet er das Recht an sich im Spiegel einer sich verändernden Gesellschaft. Anstatt der Bewahrung einer vermeintlich in Stahl gegossenen, unveränderlich erscheindenden Rechtsgebung nach dem Munde zu sprechen, plädiert er für die pragmatische und übergeordnete Betrachtung der Anforderung an akzeptables Recht. Es könne nicht sein, dass Menschen kriminalisiert würden, weil sie Dinge tun, die

  • die sie schon immer getan hätten und
  • die nur einen von der Verwerteindustrie proklamierten, aber nicht nachweisbaren, tatsächlichen Schaden anrichteten.

Die Grundlagen der bestehenden Rechtsnormen sei unter ganz anderen

  • technischen,
  • gesellschaftlichen,
  • sachlichen und
  • protagonistischen

Voraussetzungen entstanden. Die Zunehmende Diffusion zwischen Urhebern und Rezipienten beispielsweise könne von den großen Playern im Markt nicht einfach ignoriert werden. Er plädiert in seinen Lösungsansätzen für eine pragmatische, nämlich Nutzerperspektive.

Falls es nämlich noch nicht bis zu den Herren Verwerten vorgedrungen sein sollte: Eine angebotsdeterminierte Marktschaffung gibt es in anderen Bereichen in ihrer ursprünglich kristallinen Form schon seit ca. 20 Jahren nicht mehr! In einer durch individualisierten Diversität bestimmten Gesellschaft sollte, so denn der Anspruch von wirtschaftlichem Erfolg dahintersteht, die Nachfrage (ok, meinetwegen auch die noch nicht geweckte) der fundamentale Faktor für das Angebot sein.

Firmen wie Apple, Google und Facebook (perdominantely like, barely like, definitely don’t like) machen uns das immer noch Tag für Tag vor: Weil die zur interdisziplinären und nutzergeleiteten Perspektive nach wie vor unfähigen Betonköpfe (das hat übrigens gar nichts mit dem Alter zu tun, viel mehr mit der Fähigkeit zu einer postmodernen, postrationalen Multiperspektivität) in den Konzernen nichts anderes gelernt haben, als ihren Fokus auf nackte Zahlen und übervorteilende Kontrakte zu richten, entgeht ihnen mittlerweile ein geschlagenes Jahrzehnt an Wettbewerbsfähigkeit.

Handys, Suchmaschinen/Maildienste/Navigationsinstrumente und (analoge) soziale Netzwerke gab es auch schon vorher, freilich noch nie vorher mit dieser Benutzerfreundlichkeit. Doch wenn ich an einem regnerischen Sommerabend im Jahre 2012 (sic!) immer noch feststellen muss, dass es besser ist, zu Fuß in eine Videothek zu latschen und dort im gut sortierten, reichhaltigen Fundus zu stöbern, als bei iTunes (hähä, da sind die Guys aus Cupertino selber noch sch…), der Telekom (videoload) oder ProSiebenSAT.1 Media (MaxDome) sich mit gruseligen Suchtools (fragt doch mal bei eBay nach, die wissen wie man kategorisiert) einem jämmerlichen Angebot und teilweise komplizierten Abrechnungsprozessen herumschlagen muss, erwacht in mir der großhirnrindengeleitete Reflex zum Amoklauf.

Bekommt es denn in dritten Jahrzehnt der breiten Nutzung des Internets immer noch keiner hin, mir eine Filmplattform zu bieten, die schlicht und einfach alle Filme ever anbietet??? Mann, Leute!

Und dann wundern sich diese Figuren darüber, dass der unbedarfte Bürger ob dieser frustrierenden Tatsache einfach das (zweifelslos illegale und deshalb nicht unterstützenswerte) easiest Angebot ever von kino.to etc. nutzt? Wo leben die denn?

Herr Ebeling, Herr Obermann, Mr. Morris, Herr Rabe und wie Ihr alle heißt, Ihr habt die Globalisierung doch gewollt, dann wundert Euch doch bitte jetzt nicht, dass sie auch stattfindet!