Von der Dekonstruktion der manifesten Aktualität mit dem Mitteln der Kognitionswissenschaft
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Für den geübten Zweifler und erfahrenen, meditativen Praktiker ist es ein leckeres Häppchen, welches da gereicht wird: Realität, so wie wir sie erfahren, existiert gar nicht.
Das zumindest behauptet der amerikanische Professor für Kognitionspsychologie, Donald D. Hoffman von der University of California in Irvine.
Aus seinen Forschungsschwerpunkten ’Bewusstsein‘, ’visueller Wahrnehmung‘ und ’Evolutionspsychologie‘ heraus nähert er sich dem Geist-Körper-Problem, der Wahrnehmung von Bewegung und Farbe und der Muster- und Formenerkennung vornehmlich durch mathematische Modelle und psychologische Experimente. Die erstaunlichen Eckpunkte seiner Theorie, mögen sie persönliche Bestätigung heraufbeschwören („Das habe ich schon immer geahnt!“, „Diese Erfahrung hat sich mir während des Ausübens dieser oder jener Meditationstechnik auch schon aufgedrängt.“) oder auch tiefe Ablehnung auslösen („Das ist doch völlig verkopfte, lebensferne Wissenschaft!“, „Seine Sichtweise ist ausschließlich materialistischer Reduktionismus.“), sind es auf jeden Fall Wert, in dem folgenden, 20-minütigen TED-Talk einmal angehört zu werden.
Gewohnt, auch vor nicht-wissenschaftlichem Publikum zu sprechen, bedient sich der Gelehrte eines begreiflichen Wortschatzes in verständlichem Englisch.
Der Fall „Hoffman gg. die Realität“
In dem vor vier Tagen erschienenen,e nglischsprachigen Buch „The Case Against Reality: Why Evolution Hid the Truth from Our Eyes“1 stellt Hoffman führende wissenschaftliche Theorien in Frage, die behaupten, dass unsere Sinne die objektive Realität wiedergäben. Er hinterfragt, ob es möglich sein könne, dass die Welt, wie wir sie erleben, keine objektive Realität sei. Und will herausfinden, welche Bedeutung dabei unsere Sinne haben. Auf vielfältige Art und Weise und in anschaulichen Beipielen führt er den Leser an die Thematik heran.
Aspekte des Überlebens von Individuum und Spezies werden dabei ebenso angerissen, wie scheinbar profane Verhaltensweisen des Alltages: Wir beobachten ein schnelles Auto und gehen nicht davor, wir sehen Schimmel auf Brot wachsen und essen es nicht. Er behauptet: Diese Eindrücke sind jedoch keine objektive Realität. So wie ein Dateisymbol auf einem Desktop-Bildschirm ein nützliches Symbol als eine echte Repräsentation dessen sei, wie eine Computerdatei aussieht, seien die Objekte, die wir jeden Tag sehen, nur Symbole, mit denen wir sicher und mühelos durch die Welt navigieren können.
Fazit
Auch den Auswirkungen seiner Erkenntnisse widmet er sich umfangreich. Letztendlich stellt er alle (vermeintlichen) Gewissheiten unseres täglichen Weltbildes in Frage. Anders als es kirchliche Dogmen oder subjektive, spitiuelle Erfahrungen vermögen, ereicht er dies mit Hilfe der Werkzeuge der Wissenschaft. Das ist eine erfrischende Bereicherung für jeden Suchenden! Wer dem Schlussdialog des Videos aufmerksam folgt, wird nämlich bemerken, dass auch ein Professor Hoffman seine Arbeit auf etwas Unumstößlichem gründen muss.
- Hoffman, Donald D. The case aganist reality: why evolution hid the truth from our eyes. First Edition. New York: W.W. Norton & Company, 2019. Gebundenes Buch, 20,99 EUR