Gropiusstadtblick (Foto: Colin Smith, WMC, CC BY-SA 2.0)

Sonne und Beton

Gedanken zu einem Spielfilm

Gropiusstadtblick (Foto: Colin Smith, WMC, CC BY-SA 2.0)
Der Blick über den ehemaligen Grenzstreifen in Richtung Berlin-Gropiusstadt (Foto: Colin Smith, Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: ca. 10 min

„Warum keine normale Filmkritik?“, wird sich der Eine oder die Andere fragen. Sneak-Previews fordern diese Textgattung doch geradezu heraus. Und selbstverständlich werde ich im Zuge der folgenden Absätze etwas zur Entstehung, den Eckdaten und der Qualität dieses abendfüllenden Filmes zum Besten geben. Der spezielle Inhalt des Werkes, seine handelnden Personen und vor allem der Ort des Geschehens fordert jedoch viel mehr heraus, als das Abhaken einer Checkliste von Eigenschaften und dem Beschreiben eines Plots. Dazu ist diese tonunterlegte Bewegtbildschau viel zu berührend, viel zu verstörend, und, ja, viel zu überwältigend.

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ROM 05|21

De pulcritudine

Die Galleria Borghese (Aquarell von Sarah A. Besic, basierend auf: Krzysztof Golik, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Lesezeit: ca. 20 min

Insel der Seligen, Hort des Glanzvollen, Oase der Brillanz. Ein Ortsbeschreibung, die bestimmt auf viele Ecken in dieser faszinierenden Stadt zutreffen mag. Als das Äußere wie auch das Innere von Bauwerken oder deren betagten Fragmenten, als bildliche Zeugnisse künstlerischen Schaffens, flächig oder räumlich realisiert, oder als weihevolle Hinterlassenschaften besonderer Ereignisse oder Menschen, von winzig klein bis übermächtig groß, begegnet einem in dieser geschichtsträchtigen Stadt unaufzählbar Vieles, was ein der Anmut und Grazie zugängliches Herz höher schlagen lässt oder einen kunsthistorisch interessierten Geist anzuregen vermag. Aber wie aus diesen Worten schon hervorgeht: Diese Aufforderung zur Aneignung von Welt ist ein Prozess, an dessen einem Ende etwas Objekthaftes darauf wartet, wahrgenommen zu werden, während am gegenteiligen Pol ein Jemand dieses Tun veranlassen und zumindest eine Weile aufrecht erhalten muss.

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ROM 04|21

De auctoritate

Der Römische Senat in Aktion. Fresko „Cicero klagt Catilina an“ von Ceasare Maccare, 1889 (Palazzo Madama, Turin; Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Es gibt da so ein Sprichtwort, welches sich, frei wiedergegeben, darauf bezieht, dass ein Mensch in jungen Jahren das ausgleichendere Moment der communitas mehr in den Vordergrund stellte, während in der zweiten Hälfte des Lebens die politische Ausrichtung gegenüber der Gesellschaft eher geprägt wäre von der Bevorratung und dem Erhalt bürgerlicher Segnungen. Ein angenommener Übergang kämperischen Gestaltens zur rechtfertigenden Bewahrung quasi. Gerne wird diese Vermutung durch Bezugnahme zu existierenden politischen Parteien illustriert. Die Erfahrung vergangenen Austausches darüber ließ mich zu dem Schluss kommen, dass ich recht alleine dastehe mit der Ansicht, dass einerseits weder die eindimensional-polarisierende, für die teiweise hochkomplexen Problemfelder unserer Zeit völlig überholte und damit gänzlich ungeeignete parteipolitische Verortung angemessen sei. Andererseits wirkte dieses grobschlächtige Zuordnen in eine von zwei möglichen Schubladen auf mich nicht nur bemüht, sondern schlicht weg falsch.

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ROM 03|21

De motu

Orbikon unterwegs mit Wein-Amphoren nach Gaza auf einer römischen Straße 1 (Foto: The Israel Museum; alle Rechte vorbehalten)

Der erste Advent, heißt es, ist in den Westkirchen seit Kurzem der Anfang des Kirchenjahres. Der Renitenz Humberts und Michaels haben wir es zu verdanken, dass das in der orthodoxen Tradition anders gesehen wird, aber sei’s drum… Auf jeden Fall erfüllte sich die wunderbare Prophezeihung und an diesem denkwürdigen XXVIII. NOVEMBRIS (für die Transalpinii: ᚢᚹ Windmond) stand ein begeisterter Reisender auf dem Boden der antiken Tatsachen. Die anderen Menschen in der Herberge waren ebenfalls schon bei Sonnenaufgang aufgestanden, gemeinsam saß man in der Küche und nahm je nach Geschmack und Wellenschlag das colazione ein. Danach wurde der Sack mit Wegzehrung bestückt und umgehängt. Es galt, einen vorbestellten Fahruntersatz abzuholen. Die Inspiration vom vor-vorherigen Jahr wirkte in ihrer starken Überzeugungskraft wohl noch deutlich nach.

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bautafel in ostia antica

ROM 02|21

Ex oblivione

Bauinschrift am Theater von Ostia Antica, 196 n. Chr., Marmor 1 (Foto: User Meditatus, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Zweiter Tag. Alle konsumptiven Gelüste scheinen bereits befriedigt. Bereits am ersten Abend. Mit dem Kauf einer Arbeitshose nordamerikanischer Machart aus Denim, mit Baumwolle aus Brasilien, produziert in Italien von einer französischen Firma. Way cool! Wenn alles so einfach wäre. Hat eigentlich einmal jemand gegengerechnet, wieviel die Umweltschutz-Wiedergutmachungs-Zertifikate kosten würden, die man in diesem Zusammenhang erwerben müsste, um den diesbezüglichen, ökologischen Fußabdruck real zu kompensieren? Nein, wahrscheinlich nicht. Oder doch, ja, auf jeden Fall. Aber die Frage bliebe vermutlich unbeantwortet im Raum hängen, ob diese virtuellen Bereinigungs-Bescheinigungen in dieser manifesten Welt auch tatsächlich irgendetwas Positives und Konstruktives bewirkten (außer freilich, irgendjemandem die ohnehin schon vollen Taschen auf obszöne Art und Weise weiter zu füllen…). In diesem Zusammenhang gab es Zeiten, wo zumindest der Transport von Waren um ein Beträchtliches umweltverträglicher war als dies heute der Fall ist.

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Figurenfries mit Pilgern

ROM 01|21

Ad Romam

Figurenfries mit Pilgern auf dem Weg nach Rom am rechten Glockenturm des Doms von Fidenza, 12. Jh. (Foto: Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Ein Traum wies den Weg… – und die Zeit. Im Jahre 2020, es muss so im ausgehenden Herbst gewesen sein, die Menschen versicherten sich aufs Neue der gegenseitigen Rücksichtnahme durch Vereinzelung, Rückzug und asketischem Verzicht, als mir ein ungewöhnlich klarer und leichtens erinnerter Traum eine lange währende und kraftvolle Hoffnung vermittelte: Meine nächste Reise in die Ewige Stadt fände exakt dann statt, wenn der erste Advent auf einen 28. November fiele. Während mir das Festhalten von nächtlich-fantastischen Episoden im Gedächtnis über das Aufwachen hinaus üblicherweise schnelle Besinnung und ablenkungsarme Konzentration einfordert, gelang es mir in jener Nacht ohne Schwierigkeiten, die Übereinstimmung der beiden terminlichen Informationen in die Wachwelt hinüberzuretten. Kaum, dass ich am Morgen die Augen offen hatte, überprüfte ich im digitalen Kalender meines kleinen, dienstbaren, elektronischen Fast-Alles-Könners, wann diese nächtens bekanntgegebene Prophezeiung eintreffen würde.

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Vom Gießen des Zitronenbaums

Filmkritik zu einer palästinensischen Komödie

Die namengebende Nebensächlichkeit des Films, der Zitronenbaum (Foto: Hans Braxmeier, Pixabay, gemeinfrei)

Lesezeit: 7 min | kaum Spoiling

Was kann Film, genauer: Spielfilm? Diese Frage ist eigentlich eine Überforderung bezüglich einer Suche nach einer erschöpfenden Antwort. Der Schaffensanspruch dieses Mediums kann genauso vielfältig daherkommen, wie die tatsächliche Auswirkung auf den- oder diejenige, die ihn wahrnimmt, aufnimmt, mitnimmt.

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Harriet Tubman

Harriet – Der Weg in die Freiheit

Filmkritik zur Sneak-Preview eines politisch hochaktuellen Historiendramas

Die historische Harriet Tubman (Original-Foto: Horatio Seymour Squyer, 1885, gemeinfrei)

Lesezeit: 9 min | Spoiling irrelevant

Gerade eben haben einschneidende und weltweit weitgehend im Gleichtakt verhängte Maßnahmen zur Eindämmung einer Gefahrenlage die Menschen allerorten hochgeschreckt. Die einen, weil solcherart Freiheitseinschränkungen nicht einmal mehr entfernt zum gedanklichen Repertoire einer anzunehmenden Lebensrealität gehören. Die anderen, weil ihre ohnehin schon begrenzten Freiheiten unter dem Deckmantel der Notwendigkeit noch schamloser beschnitten werden konnten.

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1917

Filmkritik zur Sneak-Preview eines Kriegsfilmes von Sam Mendes

Britischer Soldat im Schützengraben während der Schlacht an der Somme, 1916 (Foto: John W. Brooke, gemeinfrei)

Wir haben sie alle schon gesehen, oder zumindest von ihnen gehört: Namen wie „Im Westen nichts Neues“, „Die Brücke am Quai“, „Apocalypse now“, oder „Full Metal Jacket“. Highlights der Filmgeschichte, die sich dem Thema ’Krieg‘ widmen, ihn von allen möglichen Seiten beleuchten und versuchen, einen schmalen Blick der Sichtbarkeit auf das Unvorstellbare zu werfen. Die Perspektiven sind dabei so vielfältig, dass sie hier gar nicht vollständig aufgeführt werden können.

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Gebet an das Jahr MMXX

Heilsame Reflektion für einen fruchtbaren Neubeginn

Mittelalterliche Buchmalerei eines Mannes mit einem Ochsen beim Pflügen
Bildausschnitt: Mann mit Ochse beim Pflügen (Wikimedia Commons, Rochester Bestiary, Folio 37v, 13. Jh., British Library, Royal MS 12 F XIII, gemeinfrei)

Am Ende eines vergangenen und am Anfang eines neuen Jahres ist es eine schöne Tradition, sich einander Glückwünsche zu senden, das hinter einem Liegende loszulassen und die Kräfte zu sammeln für das Bevorstehende. Warum denn nicht in einem Gebet all dies zusammenfassen?

Du schreckst davor zurück, weil Du keiner Kirche angehörst? Das soll kein Hindernis sein! Schließlich ist diese Textform an nichts Institutionelles gebunden. Ein Gebet ist erstmal nur ein Gebet. Kein kirchliches Bekenntnis, keine Zugehörigkeits-Offenbarung – nur eine Kontemplation. Nachdenkend, bittend, verdeutlichend, fragend.

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